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Einzelhandel: 5 Thesen für die Zukunft

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Mit einem Umsatzzuwachs von nominal über fünf Prozent ist das erste Corona-Jahr 2020 für den deutschen Einzelhandel gar nicht so schlecht gelaufen. Doch ein genauer Blick auf die Durchschnittszahlen zeigt: Gewinner sind vor allem einzelne Branchen und der E-Commerce. Den stationären Handel in den Innenstädten hat es dagegen stark getroffen. Eine Pleitewelle droht.

Was können Einzelhändler in den nächsten Monaten tun, um nicht zu den Verlierern der Krise zu gehören?

Das neue Jahr war erst wenige Tage alt, als das Statistische Bundesamt bereits für Schlagzeilen sorgte. „Einzelhandel im Corona-Jahr mit größtem Umsatzplus seit 1994“ verkündeten die Medien. Die amtlichen Statistiker kommen für 2020 auf einen Umsatzzuwachs von nominal zwischen 5,1 % und 5,5 % gegenüber dem Vorjahr im deutschen Einzelhandel.

Preisbereinigt beträgt das Plus immerhin noch zwischen 3,9 % und 4,3 %. Die Zahlen basieren auf realen Ergebnissen von Januar bis November und einer Schätzung für den Dezember. Zu den Gewinnern zählte insbesondere der Online- und Versandhandel mit einem Wachstum von real 31,8 % (nominal 33,1 %).

Aber auch der Handel mit Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und Baubedarf legte mit einem realen Plus von 15,4 % stark zu. Deutlich unter dem Vorjahresniveau blieb dagegen der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren mit einem Minus von real 20 %.

Einzelhandel vor Pleitewelle?

Die Verlängerung des harten Lockdowns seit 10. Januar trifft den stationären Einzelhandel zu Beginn des Jahres nun mit voller Wucht. Er ist zwar dringend nötig, um die Corona-Infektionszahlen hierzulande wieder besser in Griff zu bekommen. Doch die Schließung vieler Ladengeschäfte geht an die Substanz.

Viele Unternehmen haben ihre Rücklagen längst aufgezehrt. Die staatlichen Hilfen reichten laut Handelsverband Deutschland (HDE) nicht einmal annähernd, um die Fixkosten zu begleichen. „Es zeichnet sich eine Pleitewelle ab, wie wir sie noch nicht erlebt haben“, warnt bereits HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Dazu kommt: Selbst, wenn der stationäre Handel seine Türen irgendwann wieder öffnen darf, werden viele Menschen ihre Einkäufe weiterhin online erledigen.

Schließlich macht sich Deloitte zufolge aktuell fast jeder zweite Verbraucher (49 %) beim Einkaufen Sorge um sein körperliches Wohlbefinden. „Die Pandemie wird den Einzelhandel nachhaltig verändern“, sagte auch Ökonom Gabriel Felbermayr der Deutschen Presse-Agentur.

„Für den Einzelhandel in den Innenstädten und in Einkaufszentren ist die Krise deshalb auch dann nicht vorbei, wenn das Infektionsgeschehen eigentlich die Rückkehr in die Innenstädte erlaubt“, vermutet der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Stationäre Stores im Einzelhandel sind kein Auslaufmodell

Der stationäre Handel muss also um und für seine Zukunft kämpfen. Dauerhaft von der Bildfläche verschwinden wird er jedoch nicht. Brendan Witcher, Vice President und Principal Analyst bei Forrester ist sicher, dass sich die Kunden auch in Zukunft nach den erlebnisorientierten Aspekten des Einkaufens sehnen.

Die Haptik eines Kleidungsstücks, das Anprobieren im Laden – derartige Erfahrungen kann der Online-Handel nur bedingt bieten.

„Mittelfristig wird der E-Commerce-Anteil am allgemeinen Einzelhandel deshalb auf 19 % und bei Lebensmitteln auf etwa 5 % sinken“, prognostiziert der Forrester-Analyst. Trotzdem dürfte der Einzelhandel in der Post-Corona-Ära ein anderer als vor dem Ausbruch des Virus sein. Wahrscheinlich werden beispielsweise selbst im Bargeldland Deutschland die Verbraucher künftig

  • vermehrt mobil und kontaktlos bezahlen
  • kanalübergreifend shoppen und
  • Click&Collect-Angebote nutzen.

E-Commerce Experte Lars Hofacker verweist auf die Ergebnisse der Studie „Connected Retail 2020“ des EHI Retail Institute in Köln: „Covid-19 hat die Handelstrends im Connected Retail verstärkt und beschleunigt.

Um morgen am Markt erfolgreich zu sein, müssen die Akteure ein entsprechendes Anforderungsprofil erfüllen.

Wollen sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben, sind nach Ansicht der Befragten dabei vorwiegend die Faktoren Customer Centricity (39,5 %) sowie Tech- und Datenkompetenz (21,1 %) gefragt. Nachhaltigkeit (10,5 %) und Internationalität (7,9 %) spielen der Studie zufolge dabei für den künftigen Geschäftserfolg eine fast ebenso große Rolle wie eine funktionierende Logistik sowie Agilität (je 13,2 %).

Fünf Thesen für die Handelszukunft

Insgesamt leitet das EHI aus den Erfahrungen der pandemie-geprägten Monate sowie seiner Händlerbefragung fünf Thesen für die Zukunft ab.

1. E-Commerce wächst weiter

Kaum eine Branche hat im Corona-Jahr 2020 einen solchen Boom erlebt wie der Onlinehandel. Und auch nach dem Rekordjahr rechnet das IFH Köln mit weiteren Zuwachsraten. Bis 2024 könnte der Gesamtumsatz bei bis zu 142 Milliarden Euro liegen. Die Händler sehen das ähnlich: 85 Prozent rechnen mit einer positiven Entwicklung dieses Marktsegments.

2. Omnichannel gewinnt an Bedeutung

Die Differenzierung zwischen stationärem und Online-Handel entspricht nicht mehr dem aktuellen Kaufverhalten und den Entscheidungsprozessen der Verbraucher. Online- und Omnichannel Services werden deshalb künftig auch für den stationären Handel zur zentralen Stellschraube.

3. Dezentrale Strukturen setzen sich durch

Wer unabhängig agieren darf, kann wesentlich passgenauere auf regionale Kundenbedürfnisse reagieren. Zudem verbessern dezentrale Strukturen die Innovationskraft und binden Mitarbeitende enger ein. So profitieren Kunden- und Mitarbeitererlebnis gleichermaßen.

4. Digitalisierung ermöglicht Effizienzverbesserungen

Die beschleunigte Digitalisierung hilft dem Einzelhandel, interne Prozesse zu optimieren. Smarte Regale, intelligente Beschaffungslösungen sowie vorausschauende Analysen erleichtern Sortimentsgestaltung und liefern wichtige Einsichten für Shopping Insights. Mitarbeiter werden im entlastet und können sich gezielt auf die Verbesserung des Kundenerlebnis konzentrieren.

5. Neue Logistikkonzepte braucht das Einzelhandel-Land

Die Echtzeit-Gesellschaft stellt die Handelslogistik vor neue Herausforderungen. Same- oder Next-Day-Delivery wird zunehmend zum Standard. Dementsprechend werden künftig vorwiegend auf der letzten Meile völlig Logistikkonzepte entstehen: Von dezentralen Lägern in den Städten bis hin zu Microhubs in Wohnvierteln.

Erfahren Sie mehr über den Weg zum digitalen Einzelhändler.

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