Zuletzt aktualisiert: Wie die Automobilbranche und das Kundenerlebnis durch KI verändert wird

Wie die Automobilbranche und das Kundenerlebnis durch KI verändert wird

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Die IAA Mobility 2023, das größte Mobilitätsevent der Welt, hat vom 5. bis 10. September 2023 wieder rund eine halbe Million Gäste nach München gelockt. Ein Thema, dass sich in diesem Jahr durch nahezu alle Bereiche der Auto-Show zog, war die Künstliche Intelligenz (KI). Etwa bei der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und beim autonomen Fahren oder in der Qualitätskontrolle und Produktion.

In den Automobilfabriken übernehmen KI-gesteuerte Roboter inzwischen selbstständig Aufgaben wie Schweißen, Lackieren und Montieren.

Auch die Überwachung des Fahrzeugzustandes mit Hinweisen für die anstehende Wartung oder notwendige Reparaturen („Predictive Maintenance“) wird mittlerweile immer öfter von intelligenten Algorithmen durchgeführt.

Ebenso kommt die Künstliche Intelligenz beispielsweise im Fahrzeugdesign zum Einsatz. Aber auch bei der Optimierung der Fahrweise für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit, in der Sprachsteuerung von Navigationssystemen oder bei smarten Einparkhilfen wird sie verwendet. Dazu kommen Marketing, Vertrieb und Kundendienst und die effizientere Gestaltung der Lieferketten.

Spannende KI-MasterClass auf der IAA Mobility 2023

Ich hatte das Vergnügen, dieses Trendthema auf dem Mobilitätsfestival in der bayrischen Landeshauptstadt zu diskutieren. Mit dabei waren Axel Weichert, Director IT Digital bei der Mercedes-Benz AG und Alexander Scholz, Head of Digital Supply bei der BMW Group, sowie Tobias Wagner vom E-Mobility-Startup ChargeX. Inmitten des hektischen Messetreibens konnten wir dazu die von unserem Partner IBM iX DACH gemeinsam mit TikTok betriebene Executive Lounge für eine spannende MasterClass nutzen.

„Generative KI ist ein echter Gamechanger, vor allem im Bereich Kommunikation“, sagte Axel Weichert von der Mercedes-Benz AG in der Vorstellungsrunde.

Denn diese Technologie ist in der Lage auf der Basis vorhandener Informationen und Anwendervorgaben neue Inhalte zu generieren. Sie basiert auf großen Sprachmodellen, sogenannten Large Language Models (LLMs), und kommt etwa in KI-Tools wie ChatGPT, Google Bard oder Aleph Alpha zum Einsatz. Werden sie mit einer großen Menge an Daten in vielen verschiedenen Kontexten und Dimensionen trainiert, können solche Modelle für das Machine Learning (ML) mittlerweile auch komplexe Zusammenhänge und Abhängigkeiten verstehen.

Axel Weichert wies in unserer Diskussion darauf hin, dass bei Mercedes-Benz „derzeit über alle Geschäftsfelder hinweg Use Cases getestet und deren Chancen und Risiken untersucht werden“. So startete Mitte Juni in den USA etwa die Betaphase für eine intuitivere Sprachsteuerung des Infotainmentsystems MBUX in verschiedenen Modellreihen auf Basis von ChatGPT.

Für den BMW-Experten Alexander Scholz handelt es sich bei dieser Technologie ebenfalls um einen „wichtigen Effizienztreiber, insbesondere in der Supply Chain“.

In der Produktion ist der Nutzen ebenfalls bereits ganz konkret spürbar: So werden im amerikanischen BMW-Werk in Spartanburg alleine durch den KI Einsatz im Karosserierohbau pro Jahr über eine Million Dollar an Fertigungskosten eingespart. Und beim Fahrzeugdesign experimentiert der Konzern ebenfalls schon mit der Künstlichen Intelligenz, etwa beim Entwerfen von neuen Offroad-Fahrzeugen ohne menschliches Zutun.

Auch das junge Unternehmen ChargeX setzt für seine modular aufgebaute E-Mobil-Ladeinfrastruktur auf eine KI-Lösung. Sie dient der automatisierten Lastverteilung zwischen den verschiedenen Elektroautos an einem Standort. „Wir können damit eine optimale Ladestrategie entwickeln“, verriet uns Gründer und CEO Tobias Wagner. Allerdings stehe man damit immer noch am Anfang.

Mögliche Risiken der KI immer im Blick behalten

Die verschiedenen Blickwinkel der Podiumsteilnehmer auf das Thema waren für mich sehr spannend. Trotz der unterschiedlichen Perspektiven wurden in der Diskussion aber auch viele Gemeinsamkeiten deutlich. Etwa als wir über die möglichen Risiken der Künstlichen Intelligenz sprachen – wie zum Beispiel im Bereich Datensicherheit, dem Schutz von sensiblen Informationen oder bei Haftungs- und Garantiefragen.

„Wir müssen offensiv damit umgehen und für eine möglichst große Transparenz sorgen“, betonte Alexander Scholz. Es gelte, die KI-Sprachmodelle verantwortungsvoll einzusetzen und Vertrauen für ihre Nutzung bei den eigenen Beschäftigten und in der Kundschaft aufzubauen. Deshalb haben sowohl Mercedes-Benz wie auch BMW bereits eigene KI-Guidelines veröffentlicht, in denen die ethischen Prinzipien im Umgang mit der disruptiven Technologie festgelegt werden. Dazu gehört auch, sich nicht ohne menschliche Kontrolle blind auf die Antworten der KI zu verlassen.

Um ein „Halluzinieren“ der KI – vor allem in sicherheitskritischen Fragen – auszuschließen, muss garantiert werden, dass die Ausgabe eines LLMs durch entsprechendes Training sachlich richtig und vorurteilsfrei erfolgt. Im Zweifelsfall sollte außerdem das Urteilsvermögen eines Menschen immer mehr zählen als die Aussage der Künstlichen Intelligenz.

Ohne Akzeptanz der Endanwender nutzt die beste KI-Lösung nichts

Einen anderen Aspekt brachte in unserem Gespräch Tobias Wagner ins Spiel: Die unbedingt erforderliche Akzeptanz der Endanwender. Gerade die Automobilindustrie müsse hier besonders sensibel sein, denn Autofahrerinnen und Autofahrer wollen selbst bestimmen und Entscheidungen nicht einem undurchsichtigen Algorithmus überlassen. Er verwies auf die Lade-App seines Unternehmens, die in einer früheren Version auf Basis von historischen Daten und der aktuellen Situation an einem bestimmten Ort automatisch einen optimalen Ladevorgang für das Elektroauto festlegte.

„Doch die Leute wollen anhand ihrer konkreten Situation selbst entscheiden, wie voll ihre Batterie werden soll und wieviel Zeit dafür zur Verfügung steht“, berichtete er aus der Erfahrung von ChargeX. Sinnvolle Vorschläge und Empfehlungen durch die KI seien zwar hilfreich, doch die letztendliche Entscheidung müsse bei den Kundinnen und Kunden liegen.

Statt Regulierung der KI lieber eigene Erfahrungen damit sammeln

Einer – wie auch immer gearteten – dauerhaften Regulierung der neuen Technologie hielten alle Podiumsteilnehmer dagegen für wenig hilfreich. Denn das bremse nur die Innovationsfreudigkeit und der Standort Deutschland gerate auf einem weiteren Gebiet ins Hintertreffen.

Aber gerade mit den Rechtsabteilungen der Automobilhersteller müsse oftmals sehr detailliert besprochen werden, was aus Gründen von Haftungs- oder Datenschutzfragen aktuell möglich ist und wo vielleicht noch Grenzen liegen? Die gemeinsame Klärung offener Punkte solle dabei sicherstellen, dass es nicht wegen juristischer Bedenken oder auf Grund bestehender Ängste bei der Realisierung neuer Anwendungsfälle zu Verzögerungen kommt.

Um ernst zu nehmende Bedenken gegen die KI-Anwendung zu entkräften, kann auch das Sammeln von eigenen Erfahrungen der Mitarbeitenden helfen.

„Die KI-Entwicklung lässt sich nicht mehr stoppen oder gar zurückdrehen“, zeigten sich die Experten in der MasterClass überzeugt. Jetzt gehe es vielmehr darum, sie verantwortungsbewusst zu gestalten und zu nutzen.

Ohne Datenqualität spuckt die KI keine brauchbaren Ergebnisse aus

Ein weiteres zentrales Thema beim Einsatz von generativer KI in der Automobilindustrie haben wir in unserer MasterClass in München ebenfalls besprochen: Die Sammlung und Strukturierung von Daten und deren Qualität. „Die schönsten Analysewerkzeuge nützen nichts, wenn die Qualität der Daten nicht stimmt“, brachte es Axel Weichert auf den Punkt. Dann könne auch die beste KI nur unbrauchbare Antworten liefern.

Bringt man dagegen an allen Touchpoints der Customer Journey die relevanten Informationen zusammen und analysiert diese, dann lassen sich den Kundinnen und Kunden beispielsweise maßgeschneiderte Angebote über den bevorzugten Kanal schicken. Deren Einverständnis ist dafür allerdings eine Grundvoraussetzung.

Generative KI – so die übereinstimmende Meinung in unserer Runde – sei für ein personalisiertes Marketing, dass genau auf die aktuelle Situation der Empfänger ausgerichtet ist, das optimale Werkzeug. Denn damit lassen sich die 1:1-Kampagnen, die für die Kundschaft eine hohe Relevanz haben und dementsprechend bessere Ergebnisse bringen, hervorragend automatisieren.

Zweistufiger Ansatz für die Entwicklung von KI-Lösungen

BMW – so Alexander Scholz – verfolge einen zweistufigen Ansatz beim weiteren Einsatz der Künstlichen Intelligenz. Im ersten Schritt soll mit ihrer Hilfe die Effizienz in allen Bereichen gesteigert, der Aufwand reduziert und die Entlastung der Mitarbeitenden von Routinetätigkeiten vorangetrieben werden. In der zweiten Stufe gehe es dann um das leichtere Treffen von präziseren und besseren Entscheidungen auf Basis von gesammelten Daten. Damit könne man auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und zunehmenden Personalmangels die Beschäftigten wirkungsvoll unterstützen.

Was sind nun meine Key-Takeaways aus unserer MasterClass auf der IAA Mobility?

Die Antwort auf diese Frage fällt mir nicht leicht, da wir im Rahmen unserer Panel-Diskussion viele wichtige Themen aus Zeitgründen nur streifen und viele konkrete Einsatzszenarien gar nicht vorstellen konnten. Unsere Diskussion lässt sich mit folgenden Punkten zusammenfassen:

  • Es gibt – schon heute – unendlich viele Use Cases in der Automobilindustrie, in denen KI sinnvoll genutzt werden kann. Wir haben in unserer Session einige Beispiele diskutiert, angefangen von der Lieferkette, über die Ladeinfrastruktur bis hin zu kundenorientierten Prozessen. Aber trotzdem stehen wir damit erst am Anfang der Entwicklung.
  • Die Technologie verändert sich sehr schnell. Es lohnt sich deshalb für die Branche, engagierte Teams / Kompetenzzentren in ihrer Organisation einzurichten, um die Entwicklung im Auge zu behalten und schnell auf neue Trends reagieren zu können.
  • Im Augenblick geht ein Trend dahin, dass Automobilunternehmen ihr eigenes „Unternehmens-ChatGPT” haben werden, das an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst und mit ihren eigenen Daten trainiert wird, um die Qualität der Ergebnisse garantieren zu können.
  • „Saubere“ Daten sind dabei der Schlüssel, um aus geschäftlicher Sicht interessante Ergebnisse aus dem KI-Einsatz zu erzielen und das Kundenerlebnis zu verbessern.
  • Eine der größten Herausforderungen besteht derzeit darin, geeignete Mitarbeitende mit den benötigten KI-Fähigkeiten zu finden oder sie selbst auszubilden. Programme wie die Qualifizierungsinitiative Turn2Learn bei Mercedes-Benz setzen hier Maßstäbe.
  • Eine gute und transparente Kommunikation ist unerlässlich, um die Bedenken von Mitarbeitenden und der Kundschaft aufzugreifen und hoffentlich zu zerstreuen.

Es war eine Bereicherung für mich, von unseren Experten im Panel aus erster Hand zu hören, wie sie die KI nutzen, um die eigenen Abläufe im Unternehmen effizienter zu gestalten. Aber auch, wie sie damit Vertrieb, Marketing und Service optimieren und vor allem für ihre Kundinnen und Kunden eine bessere Customer Experience schaffen. Wir haben eine spannende Zeit vor uns und ich freue mich sehr darauf, zu sehen, was in Sachen KI in der Automobilindustrie als nächstes passiert. Sie ja vielleicht auch?

Wenn Sie dazu Fragen, Anregungen oder weitere Ideen haben, sind wir unter dieser Adresse jederzeit erreichbar: cxa@sap.com. Sprechen Sie mich auch gerne persönlich an.

Mehr Informationen speziell für die Automobilindustrie.


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