Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Statt wie heute live per Videokonferenz finden berufliche Meetings künftig in der virtuellen Realität statt – mit dreidimensionalen Avataren als Stellvertreter. Kleidung wird in digitalen 3D-Ladengeschäften anprobiert, statt im herkömmlichen Online-Shop auf Verdacht zwei Größen zu bestellen. Und virtuelle Zeitreisen führen 150 Millionen Jahre in die Vergangenheit zurück, um zwischen gigantischen Brachiosauriern herumzulaufen. So könnte die Zukunft des Internets aussehen, das sogenannte Metaversum.
Doch was ist das eigentlich, das Metaversum?
Der Begriff wurde zuerst von dem US-Schriftsteller Neal Stephenson definiert. In seinem Roman „Snow Crash” aus dem Jahr 1992 stellte sich Science-Fiction-Autor einen digitalen Raum vor, in dem Gamer mit Hilfe von Headsets gemeinsam mit den anderen Spielern in einer Virtual-Reality-Landschaft interagieren können.
Das Metaversum ist eine künstliche Welt, in der physische, erweiterte und virtuelle Realität miteinander verschmelzen.
In der computergenerierten Umgebung machen die Besucher gemeinsame Erfahrungen. Sie kaufen Gegenstände und spielen zusammen – ganz so, wie sie es auch in der realen Welt tun würden. Als nächste Evolutionsstufe des Internet liegt der eigentliche Kern der digitalen Parallelwelt in ihrer Dezentralität.
So sollen viele Elemente im Metaversum auf der Blockchain gespeichert werden, etwa Kryptowährungen oder als NFTs (Non-Fungible Token). Dabei handelt es sich um sicher handelbare digitale Güter. Ein Internet-Meme etwa, ein Musikstück, eine Rüstung in einem Spiel oder gar ein „echtes“ Kunstwerk.
So kann das Metaversum aussehen
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg setzt so stark auf die Zukunft der virtuellen Realität, dass er sein Unternehmen letztes Jahr in „Meta” umbenannt hat und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als „Metamates” betitelt. Die Marke investiert stark ins Metaversum und hat es mit dem neuen Firmennamen bereits zu einem bekannten Begriff gemacht.
Seitdem hat Meta schon über 150 Millionen Dollar ausgegeben, um die Idee des begehbaren Internets voranzutreiben. Alleine im letztjährigen Weihnachtsgeschäft wurden von der VR-Brille Meta Quest 2 fast 2 Millionen Stück verkauft. Die dazugehörige App belegte zeitweise den Platz der am meisten heruntergeladenen Anwendung in den USA.
Der Begriff Metaverse bezieht sich jedoch nicht auf eine bestimmte Art von Technologie. Sondern er soll beschreiben, wie die Menschen künftig mit dem Computer interagieren.
Beim Betreten der digitalen Parallelwelt können die Besucher mit Hilfe von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) beispielsweise Objekte, Menschen, Landschaften, Geschäfte und andere Umgebungen sehen, die um sie herum projiziert werden, und sich in diesen realistisch nachgebauten Umgebungen bewegen.
Auch wenn Mark Zuckerberg mit seiner Vision unter dem Namen „Horizon Worlds“ eine zentrale Rolle im künftigen Metaversum spielen will, ist Meta längst nicht der einzige Pionier auf diesem Gebiet. Auch zahlreiche Tech-Giganten und vor allem Spieleentwickler kurbeln derzeit den Hype an.
Es wird deshalb auch nicht ein einziges Metaverse geben, sondern viele.
Doch damit der Mensch, der sich mit seinem Avatar durch die künstliche Welt bewegen soll, nicht auf einer einzigen Plattform gefangen bleibt, sind anbieterübergreifende Standards erforderlich. Die werden auch benötigt, wenn sich der Onlinehandel künftig verstärkt im Metaversum abspielen soll.
Der Einzelhandel im Metaversum
Denn die digitale Parallelwelt hat das Potenzial, nicht nur das Kundenerlebnis massiv zu verändern. Sondern auch die Art und Weise, wie Verbraucher mit Marken interagieren. Eine Studie der Hochschule Aalen zum Thema Augmented Reality im Online-Shopping weist auf eine Reihe von Vorteilen für Kunden und Handel hin.
So hat die virtuelle Produktpräsentation einen positiven Einfluss – sowohl auf die Emotionen während der Nutzung als auch auf die wahrgenommene Informationsmenge und das Kaufverhalten. Danach stellt der Einsatz von Augmented Reality in Online-Shops eine messbare Unterstützung bei Kaufentscheidungen dar.
Mehr Umsatz im E-Commerce: Die 10 Schlüssel für den Erfolg
Erinnern Sie sich an „Boston Computer Exchange“? Wie Sie vielleicht wissen, spielte dieses Unternehmen in der Geschichte des E-Commerce eine entscheidende Rolle als einer der Vorreiter im Online-Handel. Das war 1982. Lang ist es her. Alleine in den letzten 18 Monaten gab es massive Veränderungen in der Art und Weise, wie wir einkaufen. Wir schreiben…
Einzelhändler, die ihre Beziehungen zu den Kunden vertiefen und erweitern möchten, können diese aufkommende Technologie als Antwort auf die Frage betrachten: „Wie treten wir stärker mit der Generation Z in Kontakt?” Diese postanaloge Generation ist darauf vorbereitet, sich mit dem Metaversum zu beschäftigen und kennt sich bereits bestens in der Welt der Avatare und digitalen Identitäten aus.
Die computergenerierten Zwillinge ermöglichen es den menschlichen Nutzern, ihre Online-Persönlichkeit sorgfältig zu gestalten, auch was ihre Kleidung angeht. In der Spielewelt „Skins” genannt, können die Nutzer zum Beispiel verschiedene Outfits kaufen, um sich auszudrücken und anderen Spielern ihre Persönlichkeit zu signalisieren.
Viele Modemarken mischen bereits mit
Kein Wunder also, dass etwa Modemarken wie Nike oder Adidas längst mitmischen, wenn es um Geschäfte im Metaverse geht. Adidas soll im vergangenen Jahr rund 30.000 einzigartige NFTs aus seiner „Into the Metaverse”-Kollektion an die Fangemeinde ausgegeben haben.
Die erste Kollektion, die im Spiel „The Sandbox“ getragen werden kann, war jedenfalls in Blitzgeschwindigkeit ausverkauft. Für alle, die dann doch mehr wollen, gibt es außerdem einen Zugriff auf eine exklusive Kollektion physischer Kleidungsstücke wie einem Hoodie, Trainingsanzug oder Beanie.
Konkurrent Nike erwarb Ende 2021 RTFKT, ein NFT-Studio, das digitale Sammlerstücke herstellt. Es produzierte bereits vorher Online-Sneakers, sodass die Übernahme durch die vielleicht bekannteste Sportschuhmarke der Welt quasi ein Selbstläufer war. Nike hat kürzlich mehrere neue Markenanmeldungen eingereicht, die auf eine baldige Markteinführung digitaler Ausrüstung für das Metaverse hindeuten.
Von NFT-Kampagnen bis zu virtuellen Showrooms
Die Liste der Markenartikler und Retailer, die auf den fahrenden Zug aufspringen, wird immer länger. Coca-Cola hat beispielsweise im letzten Jahr eine Kollektion von virtuellen Sammelstücken präsentiert, die auf der virtuellen Plattform Decentraland von Avataren genutzt werden können. So etwa die futuristisch anmutende „Coca-Cola Bubble Jacket Wearable“ in den Farben des Getränkeherstellers, die mit subtilen Anspielungen auf die nostalgischen Lieferuniformen von Coke gestaltet wurde.
Die globale Fast-Fashion-Marke Zara, die auch hierzulande viele Fans hat, kündigte eine Partnerschaft mit dem Bekleidungslabel Ader Error an, um dem südkoreanischen Metaversum als Zepeto beizutreten. Das Ergebnis der Zusammenarbeit wird die AZ-Kollektion sein. Die soll sowohl in der physischen Welt als auch in ihrem virtuellen Abbild erhältlich sein.
Die AZ-Kollektion wird von Zara als „kollaboratives Projekt” definiert, das „eine neue Generation identifiziert”, die „auf der Identität und Einzigartigkeit eines jeden Individuums” basiert.
Andere Konsumgütermarken nutzen das Metaversum, um dort ihre Produkte zu präsentieren. AR und VR bieten einen neuen Kanal für „How-to”-Inhalte, mit denen Interessenten zu Käufern werden sollen. Dyson etwa, bekannt als Hersteller von hochwertigen Haushaltsgeräten, hat einen Showroom eingerichtet, der als App über den Oculus-Store von Meta verfügbar ist.
IKEA setzt dagegen AR-Technologie ein, um zu zeigen, wie seine Aufbewahrungslösungen das Entrümpeln zum Vergnügen machen. Das schwedische Möbelhaus hat sich dazu mit Snapchat zusammengetan und einen virtuellen „Escape Room” geschaffen. Wenn der Nutzer seine Handykamera auf einen leeren Raum richtet, erscheint dort ein unaufgeräumtes Zimmer. Nun muss er IKEA-Produkte per Drag & Drop dort hineinziehen, um die Unordnung zu beseitigen. Und kann dann auf die IKEA-Möbel im Raum klicken, um mehr über sie zu erfahren.
Luxusmarken haben den Trend erkannt
Auch viele Luxusgüterhersteller testen derzeit die neuen Möglichkeiten. Ralph Lauren und Fendi bieten etwa Metaverse-Touren durch ihre Flagship-Stores an. Und auch Clinique oder Gucci experimentieren bereits. So soll Gucci mit rund 4000 Dollar für eine virtuelle Handtasche als NFT mehr Einnahmen erzielt haben als für das gleiche Produkt aus echtem Leder.
Das alles frei nach dem Motto: Beim Einkaufen geht es um ein Erlebnis. Und Kunden zahlen lieber für eine spannende Experience als für einen schnöden Artikel. Laut einer Prognose des amerikanischen Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Morgan Stanley wird das Luxussegment im Jahr 2030 etwa 50 Milliarden Dollar Umsatz im Metaverse erzielen.
Es geht nicht darum, das Produkt anzufassen. Es geht darum, ein Geschäft zu betreten, und dort etwas zu erleben.
Was den Luxusproduzenten recht ist, ist den Einzelhändlern billig. Die Discounterkette Kaufland etwa hat eine eigene Insel namens „Kaufisland“. Die kommt im Nintendo-Spiel „Animal Crossing“ zum Einsatz. Und dort gibt ein Avatar im Kauflanddesign, der sich – man beachte das Wortspiel – „Phil Leita“ nennt, also „Filialleiter“ im virtuellen Supermarkt ist. Und der klärt dann die Spieler über das Thema Nachhaltigkeit im Lebensmittelhandel auf.
Hybrider Einkauf ist das Modell der Zukunft
Eine repräsentative Online-Befragung von OMD Germany und Annalect vom Januar 2022 sieht auch hierzulande ein großes Potenzial für das Metaversum. 61 Prozent der 3.000 Befragten im Alter von 16 bis 60 Jahren können sich vorstellen, eine solche virtuelle Welt in Zukunft zu nutzen. Oder sie sind dort bereits unterwegs (11 Prozent).
27 Prozent geben aktuell an, dass sie sich eine Nutzung (noch) nicht vorstellen können, oder es nicht wissen. Lediglich 12 Prozent der Befragten lehnen die künstlichen Paralleluniversen grundsätzlich ab. Die Befürworter können sich dagegen Aktivitäten wie „Reisen, Gaming, Bildung, Shopping, sozialen Austausch oder Kultur“ im Internet der Zukunft vorstellen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt der denkbaren Möglichkeiten.
Warum im E-Commerce agile CX gefragt ist
Gestern konnten meine Kollegin Yurdanur Marangoz-Yesilirmak und ich beim Digital Bash E-Commerce, der größten Webkonferenz der Digitalbranche, über unser Lieblingsthema sprechen: Customer Experience. Hier die Aufzeichnung unseres Zoom-Auftritts (ab 00:53): Natürlich hätten wir dazu auch vier Stunden vortragen können! Aber wir hatten leider nur 45 Minuten Zeit und legten deshalb unseren Schwerpunkt auf das Thema…
Deshalb hat das weltweite Metaversum-Rennen längst begonnen. „Veränderungen sind nicht neu für den Einzelhandel – er ist seit Jahren mit technologiegetriebenen Online-Pure-Playern, Start-ups und Marktplätzen konfrontiert“, schreiben die Consultants von EY in einer Studie. Physischer und digitaler Einkauf seien deshalb keine „Entweder-oder-Entscheidung“.
„Wir bewegen uns in einer hybriden Welt, in der Platz für beide Modelle ist und die Grenzen zwischen den beiden zunehmend verwischen“, sind die Berater überzeugt. Auch wenn das Konzept noch in den Kinderschuhen stecke, zeichne es sich bereits ab, wie das Metaversum aussehen könnte, wie die Menschen es nutzen werden und welche neuen Chancen es eröffnen wird.
Neue Folge des CX Cafés: Alles zum Digital Bash
Und wem dieser Ausflug in die Zukunft noch nicht reicht: In der neuen Folge des Podcasts CX Café 🎧 ist Marc Stahlmann zu Gast, der mit seinem Team u.a. viele CX- und Commerce-Themen analysiert und jedes Jahr über 2.000 Artikel dazu veröffentlicht, mehr als 250 Speakern eine Bühne bietet und ein wichtiger Touchpoint für monatlich über 300.000 digitale Marketer ist.
Mit dem Digital Bash veranstaltet Marc auch eine der größten Webkonferenzen der Digitalbranche und taucht im Podcast gemeinsam mit den beiden Moderator/inn/en Yurdanur Marangoz-Yesilirmak und Benjamin Kunkel tief in die Welt der virtuellen Realität, von Social Commerce und Live-Shopping, Amazon Trends und auch in andere Regionen der Welt ein. Jetzt anhören: